„Oma Chrissie“

Nach über zwei Monaten wird es höchste Zeit, Chrissie (Meine Schreibweise, ob sie wirklich so geschrieben wird weiß ich nicht) vorzustellen.

Chrissie heißt eigentlich Christine und hat von mir den Beinamen Oma bekommen, da sie tatsächlich schon Großmutter ist und ich mich ein bisschen wie ihre Enkelin fühle, auf die sie aufpassen muss. Sie wohnt in Mitchells Plain, in der Nähe unseres Care Centers und begleitet mich morgens immer zur Arbeit, da sie mit dem gleichen Bus von ihrer Arbeit als Nacht- Nanny kommt. Meine Vorfreiwillige Leonie ist auch schon in den Genuss der morgendlichen Begleitung gekommen und ich vermute so einige Freiwillige davor ebenfalls. An meinem ersten Tag alleine hat sie mich direkt zu sich gewunken und bestimmt, dass auch ich sie ab jetzt begleite. Da wird nicht gefragt, ob ich Lust auf Gespräche am Morgen habe, das wird jetzt so gemacht!

So verbringen wir unseren gemeinsamen Weg meistens damit, über unser Leben und besonders unsere Familien zu sprechen. Chrissie wohnt mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und den (ich glaube) beiden Kindern in einem Haus. Zur Familie gehört auch ein Hund der uns häufig schon auf der Straße freudig entgegen läuft. Von ihr habe ich auch erfahren, dass sie einige Zeit mit ihrer Nichte in Großbritannien mit älteren Menschen gearbeitet hat und dass das Wetter in Sea Point meistens etwas windiger ist. Ich erzähle von meinen Eltern und Geschwistern und als sie gehört hat, dass meine Großmutter bald 96 Jahre alt wird hat sie ziemlich große Augen gemacht. Wir tauschen uns häufig über Normen und Traditionen in unserem Leben aus und es ist sehr spannend von einem „echten Local“ zu erfahren, wie die Menschen in Mitchells Plain ihr Leben gestalten. Vor einigen Wochen war eine Beerdigung in der Nachbarschaft und Chrissie hat mir sehr detailliert erklärt, wie so eine Beerdigung von statten geht und wie quasi die komplette Nachbarschaft mit einbezogen wird.

Von Ihr erfahre ich auch immer den neuesten Klatsch und Tratsch aus Mitchells Plain. Da sie scheinbar jeden in ihrem Viertel kennt ist sie natürlich auch bestens informiert. Wer in dem Haus gewohnt hat das jetzt verkauft wird und vor allem warum es verkauft werden muss; wessen Tochter mit einem Niederländer verheiratet ist; wer ein offensichtliches Alkoholproblem hat und wo es die besten Angebote an der Promenade gibt. Natürlich kann ich mit kaum einer Information etwas anfangen aber es ist immer recht unterhaltsam, was sie zu erzählen hat. Manchmal schließt sich uns jemand an und begleitet uns ein Stück auf unserem Weg. So hatte ich schon ausschweifende Gespräche über das Schul- und Sozialsystem in Deutschland, London Heathrow und das Gewusel dort aber auch über Hitler und die Judenverfolgung. (Generell ein recht beliebtes Thema wenn man sagt, dass man Deutscher ist). Es wird also auf dem Weg zur Arbeit nicht langweilig. Treffen wir jemanden, mit dem sie ein paar Worte wechseln möchte darf ich immer mit stehen bleiben und auf sie warten, wodurch sich unser Weg des Öfteren in die Länge zieht. Manchmal schauen die Menschen ein wenig irritiert, wenn ich dabei stehe und dem Gespräch lausche aber mittlerweile weiß glaube ich jeder, dass ich die Wegbegleitung bin. .Chrissie hat mir auch erzählt, dass sie schon das ein oder andere Mal auf mich angesprochen wurde und sie Leute wissen wollten wer denn eigentlich das „white girl“ ist, dass sie immer begleitet. Auch ich wurde schon darauf angesprochen, wo sie denn eigentlich sei, wenn Chrissie mal nicht im Bus war und ich alleine zur Arbeit gehen muss. Weiß ich natürlich nie, denn eigentlich kennen wir uns ja kaum.

Zum Abschied bekomme ich immer ein „bye bye sweetie, stay safe, see you tomorrow“ mit auf dem Weg.

Schön, dass es so Menschen wie Chrissie gibt, die uns Freiwillige ein wenig unter ihre Fittiche nehmen und so für etwas mehr Austausch sorgen.

 


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